Diemelstadt. Vor welchen Herausforderungen stehen die Diemelstädter Unternehmen? Welche Bedeutung hat der Fachkräftemangel für die Region? Wie soll und kann die Politik bei der Zukunftsausrichtung helfen? Diese und andere Fragen stehen im Mittelpunkt einer umfangreichen Wirtschafts- und Standortanalyse, die derzeit vom Kommunal- und Unternehmensberater Jürgen Rönsch und Bürgermeister Elmar Schröder erarbeitet wird. Die Ergebnisse der ersten Analysephase zeigen: Fehlende Arbeitskräfte und zu wenig Wohnmöglichkeiten, insbesondere in kleinen Wohneinheiten, sind die Hauptfelder, an denen Politik und Wirtschaft gemeinsam arbeiten müssen.
Bundeszentrale für politische Bildung
Ausgangspunkt und Basis für das Wirtschaftsprojekt ist ein Förderprogramm der Bundeszentrale für politische Bildung, das deutschlandweit über 100 Initiativen aus den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen unterstützt. „Anders als bei den anderen gesellschaftspolitischen Projekten üblich, haben wir uns im deutschlandweiten Netzwerk ganz bewusst mit einem strategischen Zukunftsansatz beworben, bei dem ganz bewusst die örtliche Wirtschaft und die politisch Verantwortlichen im Mittelpunkt stehen. Um die Inhalte dafür zu erfassen, haben wir mit den Geschäftsführern der größten Diemelstädter Unternehmen strukturierte Interviews durchgeführt, die in der Regel aufgrund der Brisanz mehrere Stunden benötigten. Bei der Planung der einzelnen Gespräche ist uns deutlich geworden, dass die Interviews auch eine große Chance für eine generelle Wirtschaftsabfrage bei der lokalen Wirtschaft bieten. Wir konnten so aus erster Hand aktuell erfahren, wie es unseren Unternehmen, insbesondere in der Corona-Krise, wirtschaftlich geht, ob und welchen Bedarf sie an Personal haben, ob eine Expansion geplant ist und welche Erwartungen sie an die Kommunalpolitik stellen“, erläutert Bürgermeister Schröder die konzeptionelle Herangehensweise.
Arbeitskräfte und Wohnraum
Die zahlreichen Interviews mit den Unternehmern wurden im Oktober und November 2021 durchgeführt. Parallel dazu entstand eine Standortanalyse, in der die Bedingungen für die Zukunft der heimischen Unternehmen in Diemelstadt und der Region bewertet werden. Die Ergebnisse der beiden Erhebungen zeigen nun vor allem Handlungsbedarf in zwei sich gegenseitig bedingenden Bereichen: Die Bewältigung des weiter zunehmenden Personalmangels und die Schaffung von neuem (Miet-)Wohnraum für ein bis zwei Personen. „Wollen wir verlässliche Bedingungen für unsere Unternehmen, sichere Arbeitsplätze und am Ende Steuereinnahmen für die Kommune behalten, müssen wir an diesen Punkten konsequent und gemeinsam arbeiten. Es reicht nicht aus, täglich in den Nachrichten zu hören, wie schlecht es um Fachkräfte in Deutschland bestellt ist und zu glauben, dass alles so bleibt, wenn die Babyboomer in den Ruhestand gehen. In 15 Jahren wird ein Rentner auf zwei Arbeitskräfte kommen. Will man beispielsweise Fachkräfte oder Azubis aus dem Ausland holen, müsste Deutschland anderthalb Millionen Arbeitnehmer pro Jahr anwerben, um netto tatsächlich 400.000 Personen zu bekommen, denn etwa 1,1 Millionen Ausländer verlassen Deutschland jährlich. Der Standort Deutschland ist nach den Skandalen bei Tönnies und anderen nicht mehr attraktiv. Das wird eine Herkulesaufgabe, um die wir meines Erachtens nicht herumkommen und um die wir uns kurzfristig kümmern müssen“, so der Appell von Bürgermeister Elmar Schröder. Was das konkret heißen kann und welche Maßnahmen im einzelnen ergriffen werden können, soll in diesem Jahr im zweiten Teil des Projektes erarbeitet werden. Möglich wäre zum Beispiel die Unterstützung der Unternehmen bei der Anwerbung von ausländischen Fachkräften und Schaffung von Mietwohnraum, der von den Unternehmen für deren Arbeitskräfte bereitgestellt wird.
Ergebnisse für Dorfentwicklung & Leader nutzen
Die beiden Projektverantwortlichen planen auf jeden Fall, die Ergebnisse der Wirtschaftsanalyse mit in die laufenden Prozesse zur Dorfentwicklung (IKEK) in Diemelstadt und LEADER im Regionalmanagement Diemelsee-Nordwaldeck zu integrieren, damit die Projektideen breit diskutiert und umgesetzt werden können. „Jürgen Rönsch und ich basteln derzeit an der Idee, eine Human-Ressource-Toolbox aufzubauen und zu entwickeln, die verschiedene Möglichkeiten für eine gezielte Personalgewinnung aufzeigen kann. Arbeitskräfte sind die größte Ressource in unserer Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, daher bedarf es hier eines aktiven Personalmanagements, dazu gehören Employier Branding, Recruiting, Retention und Empowerment in einer Human-Ressource-Gesamtstrategie“, so Bürgermeister Schröder abschließend zum Projektzwischenstand. Den Diemelstädter Projektansatz konnte Schröder vor einigen Wochen im Rahmen eines Netzwerktreffens der Bundeszentrale für politische Bildung in Brandenburg vorstellen und stieß dabei auf großes Interesse der anderen Netzwerkpartner und der Bundeszentrale.